Baronie Mittenberge, Hesinde 1044 BF
Für all jene Weidener, die nach der Entlassung Prinzessin Rahjanes von Löwenhaupt aus dem Reichsgefängnis im Tsa 1043 BF gehofft hatten, dass sie Einsicht zeigen und nicht in die Bärenlande zurückkehren würde, haben wir eine denkbar schlechte Nachricht: Sie ist wieder da! Entgegen aller Vernunft hat die greise Herzoginnentante offensichtlich entschieden, den Rest ihres Lebens in der alten Heimat verbringen zu wollen, statt sich eine neue zu suchen, in der sie höchstwahrscheinlich weitaus besser gelitten wäre.
Die Reaktionen hierzulande sind erwartungsgemäß zurückhaltend bis ablehnend ausgefallen --- wobei Wenige so weit gingen wie Graf Emmeran von Löwenhaupt: Der ließ bei einer Feier auf Burg Reichsend anlässlich des dortigen Erntefests im Travia offenbar verlauten, er wünsche „der alten Vettel“ eine möglichst holprige Reise „samt Halsbruch“, auf dass er „niemals wieder in ihr sauertöpfisches Antlitz blicken“ müsse.
Fakt ist: So wenig Frau Rahjane auch für den Giftanschlag auf Bärwaldes Altgräfin Walderia von Löwenhaupt im Jahr 1037 BF verantwortlich gemacht werden kann, ihr Ruf in der Mittnacht bleibt ruiniert. Schließlich ist sie nicht nur die Mutter des gottlosen Borbarad-Schergen und gescheiterten Usurpators Baeromar von Geltring-Weiden, sondern hat in der Vergangenheit auch Unmengen von Gift in Richtung des Hauses Löwenhaupt verspritzt. Von dem fühlt sie sich nämlich aus unerfindlichen Gründen seit jeher schlecht behandelt.
Mit der Verurteilung für ein Verbrechen, das sie nicht begangen hat, ist ihr in jüngerer Vergangenheit jedoch tatsächlich schweres Unrecht widerfahren --- und das scheint vor allem unserer geschätzten Altgräfin Walderia arg zu sein. Anders ist kaum zu erklären, dass sie ihre verfemte Schwester zu sich geholt hat. Der Eine oder die Andere traut seinen oder ihren Augen an dieser Stelle womöglich nicht, deshalb formulieren wir es noch einmal ganz konkret aus: Weil sie nicht wollte, dass Frau Rahjane wieder in ihr offenbar baufälliges Haus in der Herzogenstadt Trallop zieht, hat Prinzessin Walderia ihr eine dauerhafte Bleibe in ihrem Lehn, der Baronie Mittenberge, angeboten.
Nun ist es nicht so, als ob die beiden alten Damen gemeinsam unter einem Dach leben würden. Frau Walderia residiert bekanntlich auf der Feste Olat am Rande des Nebelmoors, obwohl ihr schon seit vielen Jahren geraten wird, den kalten, zugigen Kasten endlich zu verlassen. Ihre Schwester Rahjane hingegen ist Anfang vergangenen Mondes in die Wasserburg Auenwacht eingezogen, auf der sie auch schon hauste, als ihr Sohn Baeromar noch Herr von Mittenberge war.
Dem Vernehmen nach waren Herzogin Walpurga und Prinz Arlan von diesem Arrangement alles andere als angetan, ihre Einwände prallten jedoch am Starrsinn der Altgräfin ab. Wenn es um das Wohl und Wehe ihrer einzigen Schwester geht, scheint Walderia heuer von niemandem mehr Rat annehmen zu wollen. Bleibt zu hoffen, dass sie hier nicht der falschen Person Vertrauen und ein Obdach schenkt.